Der Ärztliche Direktor Joachim Sturm spricht über die Herausforderungen durch Corona im Kreiskrankenhaus
Die sogenannte zweite Corona-Welle hat auch die Region erreicht. Wie ist die Lage im Kreiskrankenhaus Weilburg? Mit welchen besonderen Herausforderungen haben Ärzte und Pflegepersonal dort jetzt zu kämpfen? Als Chefarzt der Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin und Ärztlicher Direktor der Klinik gibt Joachim Sturm Auskunft.
Herr Sturm, wie viele Covid-19-Patienten werden aktuell im Kreiskrankenhaus Weilburg behandelt? Wie viele von ihnen benötigen intensivmedizinische Hilfe?
Das wechselt. Am Dienstag waren es beispielsweise zwei Covid-Patienten auf Intensivstation, vier auf Normalstation und ein Verdachtsfall. Am Freitag hat es sich entspannt. Wir hatten einen auf Intensiv, zwei auf Normalstation und keine Verdachtsfälle mehr.
Haben Sie in den vergangenen Tagen einen Anstieg dieser Patientenzahlen gesehen?
Einen sehr starken Anstieg konnten wir in der vorletzten Woche in unserem Krankenhaus und noch viel stärker in den anderen Kliniken des hessischen Versorgungsgebietes 5 beobachten, das Wiesbaden, den Rheingau-Taunus-Kreis und den Landkreis Limburg-Weilburg umfasst. So bekamen wir auch Patienten aus einem anderen Krankenhaus zuverlegt, da dieses Haus an seine Kapazitätsgrenzen kam. Da die derzeit steigenden Infektionszahlen erst verzögert zu vermehrten stationären Aufnahmen führen werden, rechnen wir mit erheblich mehr betroffenen Patienten.
Wie viele mit dem Coronavirus infizierte Patienten können in Ihrer Klinik behandelt werden und wie groß ist die Zahl der dafür zur Verfügung stehenden Intensivbetten?
Wir haben zu Beginn der ersten Corona-Welle durch Aufbau von Isolationsschleusen einen großen Stationsabschnitt geschaffen und zwischenzeitlich auch erweitert, in dem derzeit acht Patienten bei Einzelzimmerbelegung aufgenommen und isoliert werden können. Dieser Isolationsbereich kann jederzeit noch erweitert werden, wenn dies erforderlich sein wird. Auf der Intensivstation mit momentan zehn Betten wurden vier Zimmer zur Einzelisolation ausgerüstet. Wir haben dazu noch eine früher als Überwachungs- oder Intermediate-Care-Station konzipierte Station so ausgerüstet, dass wir innerhalb weniger Tage – noch genügend zur Verfügung stehendes Personal vorausgesetzt – eine zweite vollwertige Intensivstation betreiben können. Bereits während der ersten Corona-Welle im Frühjahr hatten wir diese Station erfolgreich in Betrieb.
Wie viele Patienten können bei Bedarf künstlich beatmet werden?
Vor dem Coronapandemiegeschehen hatten wir vier Beatmungsplätze auf unserer Intensivstation. Inzwischen haben wir durch die Unterstützung unseres Landkreises, des Landes und auch aus eigenen Mitteln insgesamt 14 stationäre und zwei Transport-Beatmungsgeräte. Unsere Beatmungskapazitäten werden somit eher durch das zur Verfügung stehende Pflegepersonal begrenzt sein.
Wann wird so ein Beatmungsgerät grundsätzlich genutzt?
Ein Beatmungsgerät ist immer dann notwendig, wenn die zur Überwindung einer Atemnot notwendige Atemarbeit vom Patienten nicht mehr vollständig erbracht werden kann und er sich somit erschöpft. Diese Atemarbeit kann dann vom Gerät zur Entlastung oder bis zur Erholung des Patienten stufenlos von teilweise bis vollständig übernommen werden. Zudem erlaubt das Gerät bei sehr schweren Formen des Lungenversagens das Verabreichen sehr hoher Sauerstoffkonzentrationen bis zur reinen Sauerstoffbeatmung.
Mit welchen Risiken muss bei einer längeren Phase der künstlichen Beatmung häufiger gerechnet werden?
Je länger der Patient beatmet wird, um so schwerer wird es, den Patienten von der maschinellen Atemunterstützung zu entwöhnen, da sich die Atemmuskulatur bei Nichtbeanspruchung zurückbildet und erst wieder auftrainiert werden muss. Mit zunehmender Beatmung steigt auch das Risiko einer Lungenentzündung.
In vielen Krankenhäusern macht sich angesichts steigender Corona-Fallzahlen bereits Personalmangel bemerkbar. Wie sieht das in Weilburg aus?
Schwierigkeiten in der Personalbesetzung ergaben sich bisher vor allem im Bereich der Pflege und in den Funktionsabteilungen. Wir konnten dies durch die Flexibilität und das Engagement unserer Mitarbeiter noch relativ gut kompensieren, sodass es hierdurch zu keinerlei Einschränkungen in der Patientenversorgung kam. Nur wenige Mitarbeiter haben sich bisher im privaten Umfeld infiziert. Die Personalprobleme ergaben sich mehr aus Quarantänemaßnahmen und Schließungen der Schulen und Kitas.
Hat die Behandlung von Covid-19-Patienten derzeit Auswirkungen auf die anderen Patienten? Müssen planbare Operationen verschoben werden?
Die uns vom Hessischen Ministerium für Soziales und Integration auferlegte Verminderung von Dreibettzimmer-Belegungen und die Vorhaltung der Isolationszimmer haben zu einer Verringerung der Bettenzahl geführt. Weiterhin kam es durch die notwendige Beachtung der Abstandsregeln auch zu deutlichen Einschränkungen in den Sprechstunden unserer Ambulanzen, sodass planbare Behandlungen und Operationen nicht mehr im üblichen Umfang und in der häufig gewünschten zeitlichen Nähe erbracht werden können. Hinzu kommt noch, dass die Versorgung der Covid-positiven und -verdächtigen Patienten erheblich mehr Personal bindet, welches dann an anderen Stellen fehlen wird – vor allem bei weiter steigenden Fallzahlen.
Glauben Sie, dass die momentan in Deutschland geltenden Regeln zur Senkung der Corona-Infektionszahlen ausreichen?
Was bedeutet in diesem Zusammenhang denn „ausreichend“? Die Verminderung der Überlastung der Krankenhäuser? Oder die größtmögliche Verminderung aller schweren Covid-Erkrankungen und -Todesfälle? Oder ein früher genannter Schwellenwert der Neuinfektionen, den wir ja schon in den meisten Gegenden Deutschlands überschritten haben? Ob die getroffenen Maßnahmen, gemessen an einem bestimmten Kriterium, dann ausreichend sind, wird man mit Sicherheit erst in den nächsten Wochen oder Monaten beurteilen können. In meinen Augen war es aber völlig richtig, die Maßnahmen angesichts der sich abzeichnenden zweiten Welle zu verschärfen.
Was würden Sie Menschen sagen, die diese Regeln als stark übertrieben ansehen und sie nicht befolgen wollen?
Am liebsten gar nichts mehr. In den letzten Monaten musste ich mich häufig mit Personen unterhalten, die die empfohlenen Hygieneregeln als völligen Unsinn abgetan haben, oder gar die Existenz eines Covid-19-Virus oder einer Pandemie leugneten.
Es gibt ausreichend seriöse Quellen, um sich zu informieren und auch die Möglichkeit, jemand zu fragen, der beruflich mit Sars-CoV-2-Erkrankungen befasst ist, um zu erfahren, wie leicht übertragbar, heimtückisch und lebensgefährlich diese Infektion sein kann. Doch leider kann man diese Skeptiker kaum überzeugen, und darum möchte ich mich dann lieber um die Versorgung unserer Patienten kümmern. Trotzdem muss ich sagen, dass unsere Patienten und deren Angehörige, genauso wie auch die Mitarbeiter unseres Krankenhauses, Verständnis für die besonders in unserem Haus getroffenen Maßnahmen, wie zum Beispiel das gegenwärtige Besuchsverbot, zeigen oder auch interessiert nachfragen. Das ist gut, denn schließlich geht es dabei vor allem um die Gesundheit und den Schutz der Patienten und Mitarbeiter.
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